MT-Interview zur JSG NSM-Nettelstedt

MT. Seit dem 01.04.2011 existiert die neue Jugendspielgemeinschaft NSM-Nettelstedt. Sie setzt sich aus den Stammvereinen der „alten“ JSG Norhemmern-Südhemmern-Mindenerwald und dem TuS Nettelstedt zusammen. Nach Durchlaufen der Gründungsphase und dem Abschluss der verschiedenen Jugend-Qualifikationsrunden besteht Anlass, die Verantwortlichen der verschiedenen Beteiligten der JSG, zu denen auch der TuS N-Lübbecke gehört, zu den Beweggründen für den Zusammenschluss und den Zielen zu befragen. Zusammengefunden haben sich Walter Tiemann, 1. Vorsitzender der JSG, Frank Begemann, stellv. der Abteilung Handball des TuS Nettelstedt sowie Jugendwart der JSG, Uwe Kölling, Geschäftsführer des TuS N-Lübbecke, sowie Stefan Kruse, Verantwortlicher Leiter des Bereichs männliche A- bis C- Jugend.

Herr Tiemann, Sie waren der 1. Vorsitzende der „alten“ JSG NSM und sind nun auch der 1. Vorsitzende der „neuen“ JSG NSM-Nettelstedt. Was bezwecken die Stammvereine der „alten“ JSG mit der neuen Partnerschaft mit dem TuS Nettelstedt und dem TuS N-Lübbecke?

Tiemann: Die JSG NSM wurde vor ziemlich genau 20 Jahren gegründet, um allen Kindern der drei Ortschaften Nordhemmern, Südhemmern und Mindenerwald die Möglichkeit zu geben, Handball zu spielen. In den 20 Jahren haben wir uns in den höchsten Ligen des HV Westfalen etabliert und waren ebenfalls in der Breite gut aufgestellt. Vor diesem Hintergrund kann ich Ihre Frage gut verstehen. Sie wurde auch von vielen unserer Mitglieder gestellt. Für uns gilt es im Lichte des demographischen Wandels einen Schritt nach vorne zu machen. An der Basis wird es immer schwieriger, Kinder für den Sport und den Handball zu gewinnen. Mit dem Flaggschiff TuS N-Lübbecke und dem TuS Nettelstedt schaffen wir einen starken Verbund. Durch diesen Zusammenschluss sehen wir uns dauerhaft in der Lage, dem Wandel unserer Gesellschaft unter Berücksichtigung leistungs- und breitenorientierter Ansätze entgegen zu wirken. Wir setzen dabei auf eine breite Basis, und zwar sowohl im männlichen als auch im weiblichen Bereich. Natürlich erhoffen wir uns durch die Partnerschaft mit einem Bundesligisten und dessen Strukturen und Möglichkeiten auch sehr positive Auswirkungen auf den Leistungsbereich.

Herr Begemann, was gab den Ausschlag für den Zusammenschluss aus der Sicht des TuS Nettelstedt?

Begemann: Der TuS Nettelstedt betreibt bereits seit Jahren erfolgreiche Arbeit an der Basis. Das ist in der Öffentlich so gar nicht genug bekannt. Wir verfügen im Bereich der Superminis und Minis über einen Zuspruch von weit über 20 Kindern und betreiben auch erfolgreich die Mini- und E-Jugend Stützpunkte in Lübbecke mit Kindern in vergleichbarer Anzahl. Wir verkennen aber nicht, Defizite in den höheren Altersbereichen unserer Jugend zu haben. Die Gründe dafür sind vielschichtig und wurden intern aufgearbeitet. Wir sind zu dem Schluss gekommen, die bestehenden Defizite mit dem Zusammenschluss mit den Stammvereinen der „alten“ JSG NSM sehr gut ausgleichen zu können. Wir bieten den Kindern und Jugendlichen nunmehr auf Dauer sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten und insbesondere eine qualifizierte sportliche Ausbildung auch in den älteren Altersklassen.

Herr Kölling, wie sehen Sie das neue Konstrukt? Geht es Ihnen als Verantwortlicher für den Bundesliga-Handball des TuS N-Lübbecke zuvorderst um die Erlangung des Jugendzertifikats der HBL?

Kölling: Das Jugendzertifikat ist sicherlich erstrebenswert. Es stellt als solches allerdings „nur“ das Gütesiegel für das dar, was von der HBL im Kern gewollt ist, nämlich qualitative Fort- und Weiterentwicklung der Jugendarbeit und damit letztlich die Entwicklung von deutschen Topspielern durch die Handball-Bundesligisten. Gute Jugendarbeit ist gewiss die Basis für die Entwicklung von solch guten Spielern, keine Frage. Zuvorderst wollen wir vom TuS N-Lübbecke aber unserer Verantwortung als Handball-Bundesligist gerecht werden und Jugendförderung betreiben. Wir sehen diese Förderung als eigene regionale Verpflichtung an. Nicht umsonst lautet einer unserer Grundsätze „Starker Sport in einer starken Region“.

Ihnen geht es also nicht nur um die Entwicklung einer Handballelite?

Kölling: Richtig. Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. In der heutigen Zeit gilt es, dem demographischen Wandel entgegen zu wirken. Rückläufiges ehrenamtliches Engagement, Konkurrenz zu anderen Freizeitangeboten sowie Kommunikation und Auseinandersetzung in der Gruppe sind große Herausforderungen, denen wir uns gemeinsam stellen wollen. Uns ist es wichtig, nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Breite zu fördern. Es geht also nicht nur um die Förderung von Talenten. Jedes Kind und jeder Jugendliche sollen die Chance erhalten, sich im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten bestmöglich im Mannschaftssport zu entwickeln, und zwar nicht nur handballerisch, da sind wir uns alle einig.

Begemann: In der Tat. Das zeigen wir ja auch schon dadurch, dass der TuS Nettelstedt seit über drei Jahren an der Basis sehr gute Arbeit leistet, und zwar zusammen mit dem TuS N-Lübbecke. Das Engagement, insbesondere von „Schorse“ Borgmann, dem Co-Trainer des TuS N, an immerhin vier Grundschulen im Raum Lübbecke mit sog. „Ball-AG`s“ und im Stützpunkttraining E-Jugendlicher, trägt Früchte. Wie schon gesagt, hatte der Stammverein bis zur Gründung der JSG im Bereich der Minis und der E-Jugendlichen bereits einen regen Zuspruch der Kinder und deren Eltern.
Kölling: Auf der anderen Seite bekennen wir uns aber auch zu dem Ziel, aufgrund unseres professionellen Leistungsbetriebes im Bundesliga-Handball, einem männlichen Jugendspieler höchstmögliche sportliche Perspektiven zu bieten. Er soll die Jugendmannschaften der JSG NSM-Nettelstedt vollständig durchlaufen können und im Anschluss daran bestenfalls Spieler der Bundesliga-Mannschaft werden. Spieler wie Arne Niemeyer und Jens Wiese zeigen, dass dies keine Utopie ist.

Aber es geht Ihnen doch auch um das Zertifikat, Herr Kölling.

Kölling: Natürlich wäre es schön, wenn am Ende des Weges auch das Jugendzertifikat des HBL er-reicht werden würde. Insoweit setzen wir uns alle aber nicht unter Druck. Wie gesagt, es geht uns zuvorderst um die Sache selbst. Ohnehin bedarf es insoweit noch der Prüfung und Klärung einiger formeller Aspekte.

Herr Tiemann, wie ist die Zusammenarbeit denn angelaufen?

Tiemann: Sehr gut. Alle Partner bringen sich intensiv ein und gehen vertrauensvoll miteinander um. Insbesondere ist allen anzumerken, dass sie den Erfolg des Projekts auf Dauer unbedingt wollen. Wir geben gemeinsam Vollgas.

Begemann: Das kann ich nur bestätigen. Auch wenn der Zusammenschluss, insbesondere auch betreffend die Zusammenführung der Mannschaften hohen Einsatz und Aufwand kostet, macht die Arbeit mit allen Beteiligten auch enorm viel Spaß.

Herr Kruse, wie fällt Ihr erstes sportliches Fazit nach dem Durchlaufen der Qualifikationsrun-den in den Altersklassen A bis C aus?

Kruse: Sehr positiv. Und da spreche ich für die Verantwortlichen des Bereichs A- bis C-Mädel, Peter Wassmann und Jerry Meyer, gleich mit. Die männliche A-Jugend hat sich zwar nicht für die Bundesliga, aber immerhin für die Oberliga qualifiziert, was meines Erachtens auch dem Leistungsvermögen der Mannschaft entspricht. Abgesehen noch von der weiblichen C-Jugend haben sich ansonsten sämtliche Mannschaften, ob weiblich oder männlich, für die höchsten Spielklassen qualifiziert. Wir sind damit sehr zufrieden.
Auch wir, die sportlich Verantwortlichen, sehen die Zukunft der JSG NSM-Nettelstedt sehr positiv. Die Arbeit an der Basis, die Förderung der Breite und der Spitze geben der JSG Perspektiven, die in der heutigen Zeit nicht als selbstverständlich anzusehen sind. Die neue Spielgemeinschaft war auch aus der Sicht der im sportlichen Bereich Verantwortlichen die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit.

Herr Begemann, ordnen Sie dem männlichen oder dem weiblichen Bereich eine höhere Gewichtung zu?

Begemann: Wir haben den Vorteil, im Jungen bzw. Mädchenbereich fast sämtliche Mannschaften doppelt besetzt zu haben. Für uns haben beide Bereiche einen sehr hohen Stellenwert. Der Partner TuS N-Lübbecke wird seinen Fokus bedingt durch seine professionelle Ausrichtung naturgemäß einen Tick mehr auf die Förderung des männlichen Leistungsbereichs richten, ist doch klar. Dabei sollen aber die übrigen Bereiche nicht vernachlässigt werden. Aber das hat Herr Kölling ja auch schon deutlich gemacht.

Welche Trainer stehen zur Verfügung?

Kruse: Eine Präsentation des Trainer- und Betreuerteams erfolgt demnächst. Unser Grundkonzept sieht vor, dass die Mannschaften im „Tandemmodell“ betreut werden. Es soll stets zwei gleichberechtigte Trainer geben.

Sind eigentlich Kooperationen mit Schulen geplant?

Tiemann: Bereits jetzt gibt es solche Kooperationen mit vier Grundschulen im Lübbecker Raum der Grundschule Nordhemmern. Geplant ist, auch mit den weiterführenden Schulen zusammen zu arbeiten.

Wie sehen Sie die JSG im Lichte anderer Vereine und deren Jugendarbeit? Befürchten Sie dort nicht ein „Ausbluten“?

Tiemann: Wie schon gesagt, legen wir sehr großen Wert auf die Basisarbeit und haben in diesem Bereich schon Erfolge. Der Zuspruch der Kinder ist, wie gesagt, schon vorhanden und soll natürlich noch besser werden. Mit dieser Basisarbeit zeigen wir, dass wir unser Hauptaugenmerk auf unsere „eigenen“ Kinder und Jugendlichen legen. Natürlich wird es punktuell immer wieder zu Vereinswech-seln kommen, und zwar in unterschiedliche Richtungen, wie es auch schon jetzt der Fall ist. Wir sind ja schon seit über 20 Jahren „am Markt“. Uns ist auf jeden Fall ein fairer Umgang mit den benachbar-ten Vereinen wichtig.

Herr Kölling, eine Frage darf natürlich nicht fehlen. Wie beurteilen Sie die neue JSG im Ver-gleich zur Jugendarbeit von GWD Minden?

Kölling: Die männliche Jugendarbeit von GWD Minden ist seit Jahren hervorragend. Sie verdient großen Respekt. Vergleiche möchten wir aber überhaupt nicht anstellen. Wir wollen über uns sprechen und stellen fest, dass wir die Jugend sowohl im männlichen als auch im weiblichen Bereich för-dern. Wie schon gesagt, denken wir in diesen Bereichen nicht nur an die Spitze, sondern auch an die Breite. Ich bin mir sicher, dass auch die Verantwortlichen von GWD Minden unsere Arbeit in der JSG NSM-Nettelstedt respektieren.

Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch.