++ mB2-Jugend deklassiert Eintracht Oberlübbe mit 23:23 ++

Nettelstedt. Formal ist es nach den Gesetzen der Sportarithmetik ein Unentschieden, wenn am Ende beide Mannschaften dieselbe Anzahl Tore erzielt haben. Der Zauber des Handballs liegt jedoch bekanntlich darin, dass er mit mathematischen Gesetzen allein nicht zu erfassen ist. Für die männliche B2-Jugend ist das 23:23 vom Sonntagmittag daher der bisher schönste sportliche Triumph der Spielzeit 2019/20. Buchstäblich bis auf das letzte Aufgebot dezimiert, rang das Team mit einer überragenden Willensleistung der Eintracht aus Oberlübbe einen kaum für möglich gehaltenen, aber im Übermaß verdienten Punkt ab.

Als am Freitagabend die Nachricht kam, dass die mB2 bis auf Weiteres ohne den am Knie verletzten Philipp Barner auskommen muss, war die Notlage perfekt. Zusammen mit den im Alpenraum vermissten Hauke Wenzel und Chris Massilge, Spielmacher Julian Ney, dem erkrankten Marten Südmeier sowie Kevin Bartelmann und Julius Tabel, auf den wegen des Einsatzes in der C1-Jugend ebenfalls nicht zurückgegriffen werden konnte, las sich die Liste der fehlenden Spieler wie eine mögliche Startaufstellung. Weil auch die C2-Jugend zeitgleich im Einsatz war, kam auch von dieser Seite kein Auffüllen in Betracht. Übrig blieben ganze sieben Spieler.

Vor diesem Hintergrund wurde Kontakt zu den Oberlübbern aufgenommen und die Bitte vorgetragen, einer kurzfristigen Verlegung des Spiels zuzustimmen. Mit Verweis auf eigene Herausforderungen bei der Disposition von Spielern in den beiden B-Jugend-Mannschaften wurde das schließlich abgelehnt. Weil eine Absage und Wertung des Spiels aus Kostengründen nicht infrage kam, blieb der verbliebenen Sieben nichts anderes übrig, als zu einem scheinbar aussichtslosen Spiel anzutreten.

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Gestützt auf eine bärenstarke Abwehr gestalteten die JSG-Burschen die erste Halbzeit nicht nur offen, über weite Strecken bestimmten sie gar das Geschehen. In der 13. Spielminute verkündete die Anzeigetafel eine satte 8:3-Führung. Dass es sich um eine Momentaufnahme handeln würde, war zwar allen Beteiligten klar, aber es war einer jener Momente, die den Glauben daran nähren, etwas nicht für möglich gehaltenes vielleicht doch schaffen zu können. Dieser Glaube sollte die gesamte Partie über Bestand haben, auch wenn sich die Gäste bis zur Pause bis auf einen Treffer heranpirschten (14:13, 25.).

In den Minuten nach Wiederanpfiff wurde es dann regelrecht dramatisch. Leon Dullweber kassierte nach einer unglücklichen Abwehraktion die einzige Zwei-Minuten-Strafe der JSG an diesem Tag, und Adrian Südmeier musste einen Hieb auf die Nase einstecken, der ihn unmittelbar außer Gefecht setzte. Das ausgesprochen souveräne Unparteiischen-Gespann Bartling/Schellert bewies in dieser Phase Fingerspitzengefühl, unterbrach die Partie und pfiff erst wieder an, als klar war, dass die Blutung sich nicht kurzfristig würde stoppen lassen. Die JSG setzte das Spiel in Unterzahl fort, zunächst bis zum Ablauf der Zeitstrafe vier gegen sechs, anschließend noch eine geschlagene Viertelstunde lang zu fünft, ehe Adrian wieder eingreifen konnte.

Wer an die Macht des Karmas glaubt oder die Existenz eines gerechten Handballgotts, mag sich durch den weiteren Spielverlauf ebenso bestätigt fühlen wie derjenige, der es mit der Weisheit hält, dass ein funktionierendes Team mit seinem Willen Berge versetzen kann. Nachdem die JSG in Unterzahl dem Anrennen der Gäste zunächst bravourös standgehalten und ihre knappe Führung verteidigt hatte, kam es dann zunächst scheinbar doch, wie es kommen musste: Mit schwindenden Kräften verkürzten sich wie zu erwarten die laufbaren Wege in der Deckung, und die Effektivität im Angriff ließ nach. Die Gäste bekamen ein Übergewicht vor allem in der Dynamik der Eins-gegen-Eins-Situationen. Angeführt von seinem überragenden Linkshänder stellte der TuS in der 47. Minute per Strafwurf den Ausgleich her und ging eine Zeigerumdrehung später, frenetisch bejubelt von den eigenen Zuschauern, erstmals seit dem 1:2 in der zweiten Spielminute in Führung.

Dann jedoch kam der große Moment von einem, der rein körperlich eher zu den Kleineren gehört: Marvin Buhrmester. Normalerweise auf den Außenpositionen zu Hause und dort links wie rechts eine Bank, hatte er dem Spiel über 49 Minuten von der Rückraummitte aus unaufgeregt, aber höchst effizient seinen Stempel aufgedrückt. Als noch 70 Sekunden zu spielen waren, nahm er sich die Verantwortung sowie das Herz in beide Hände – und netzte zum 23:23 ein. Weil die Gäste anschließend ihren letzten Angriff verdamelten und die JSG so nochmal vor das Eintracht-Gehäuse kam, rückte am Ende gar ein doppelter Punktgewinn wieder in greifbare Nähe. Und es wäre keineswegs des Guten zu viel gewesen, wenn der direkte Freiwurf nach Ablauf der Spielzeit auch noch irgendwie seinen Weg ins Tor gefunden hätte. Hat er nicht, und das ist uns herzlich wumpe.

Auch wenn der Anlass es geböte, sechs weitere Einzel-Huldigungen auszusprechen, verzichten wir darauf und fassen sie zu einer zusammen: Ein Team hat diese Schlacht geschlagen, in der es nur als Einheit bestehen konnte. Und es war ganz großer Sport, den die Jungs da abgeliefert haben. Die Statistik-Abteilung darf zudem verkünden: Nachdem das Hinspiel in Oberlübbe mit vier Toren gewonnen wurde, geht auch der direkte Vergleich an die JSG. In altersgerechte Sprache übersetzt, würde die Botschaft wohl lauten: Ehre genommen.

Im Nachhinein muss man den Verantwortlichen der Eintracht geradezu dankbar sein. Mit ihrer Absage an eine Spielverlegung und der Entscheidung, gegen eine verletzungsbedingt dezimierte Mannschaft mit voller Kapelle durchzuziehen, werden sie sich zwar kaum neue Freunde gemacht oder Punkte für die Fairplay-Wertung gesammelt haben. Das mag jeder nach seinen eigenen Maßstäben bewerten. Den JSG-Jungs wurde so jedoch objektiv eine Chance eröffnet, als Team über sich hinaus zu wachsen und eine Erfahrung zu machen, die länger hält als Spiele es gemeinhin tun. Um es mit den Worten von Athletiktrainer Herbert Barner vor Spielbeginn zu sagen: „Nachher werdet ihr total erledigt sein, aber gewachsen, glücklich und stolz.“

Wenn noch jemand einen erfolgversprechenden Lottoschein auszufüllen hat: Seher Herbert erledigt das gern gegen einen kleinen Obolus in die Mannschaftskasse der mB2. 

Die glorreichen Sieben: Jesper Grote; Marvin Buhrmester (3), Leon Dullweber (4), Timon Hilger (2), Adrian Südmeier (1), Julian Südmeier (3), Moritz Westerhoff (10/6).